Graz 2020: Geteilte (in)Kompetenzen

Haben wir eine Kultur des entspannten Umganges mit einem Mangel an Kompetenzen? Ich beginne anders: Wer kennt das nicht? Manchmal hofft man, ein Wunsch möge rasch in Erfüllung gehen oder ein Arbeitsergebnis solle sich nun endlich und mühelos einstellen. Zugleich hat man vielleicht längst die Erfahrung gemacht, daß ein Ringen um Lösungen sich äußerst erfreulich anfühlt, selbst wenn man unterwegs aus einige Sackgassen reversieren mußte.

Projektbesprechung, von links: Milica Milicevc, Milan Bosnic, Martin Krusche und Mirjana Peitler-Selakov

Projektbesprechung, von links: Milica Milicevc, Milan Bosnic, Martin Krusche und Mirjana Peitler-Selakov

Anders ausgedrückt, es gibt Dinge, die möchte man um ihrer selbst willen gut machen, was einem den Rücken erheblich stärkt, wenn es gelingt. Daraus braucht nun keineswegs eine Ideologie der harten Arbeit abgeleitet werden. Das gab es ja in unserer Kultur schon einige Male. Suspekte Konzepte!

Vermutlich darf aber fast schon als Faustregel gelten: wenn es einem sinnvoll erscheint, fällt es einem leichter, Strapazen zu ertragen. Dazu paßt das Bonmot: Don’t work hard, work smart! Das ist keine Einladung sich zu drücken. Es illustriert eher, was zum Beispiel alte Bauersleute als den Unterschied zwischen fleißig und tüchtig erachten.

Fleißig ist, wer viel tut. Tüchtig ist, wer sein Tun zu sinnvollen Ergebnissen führt. Muß ich das erläutern? Sichert nicht! Nun wird es etwas diffiziler. Darum ein etwas grobes Statement vorweg: Wenn Scheitern für Sie nicht in Frage kommt, können Sie gleich daheim bleiben.

Ja, ich weiß, man muß scheitern dürfen, wenn man Neues versucht. Das sagt sich leicht. Wird es in der Praxis auch akzeptiert? Darf man damit rechnen, daß ein gelegentliches Scheitern von der Umgebung hingenommen wird, weil es genauso banal und plausibel ist, wie das Essen, wenn man Hunger hat, das schlafen, wenn man müde ist?

Die Antwort darauf finden Sie gewiß in Ihrer eigenen Biographie. Würden wir nun eine Umfrage starten, käme sehr wahrscheinlich heraus, daß die meisten Befragten lieber nicht scheitern möchten, wahlweise besser unbemerkt scheitern wollen, wenn es sich schon nicht vermeiden läßt.

Nein, wir haben keine Kultur des entspannten Umganges mit einem Mangel an Kompetenzen, der jemanden in gewissen Situationen abstürzen läßt. In diesem Klima hat Mirjana Peitler-Selakov ihr Thema herausgearbeitet und für das spezielle Grazer Kulturjahr 2020 präzisiert: „Geteilte (in)kompetenzen“.
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Das ergibt sich bei ihr aus verschiedenen Erfahrungsbereichen. Als Kunsthistorikerin und erfahrene Ausstellungskuratorin kennt sie Bedingungen der Kunst; daß man etwa immer wieder über die Grenzen eigener Kompetenz hinausgehen muß, um neue Möglichkeiten zu erkunden.

Als versierte Technikerin, die große Konzerne von innen kennengelernt hat, war das Genre „Functional Safety“ über etliche Jahre ihre Domäne. Funktionale Sicherheit in komplexen Systemen, zum Beispiel in elektronisch hochgerüsteten Automobilen etc. Da sind es Komplexität und Tempo der neuen Systeme, durch die Menschen oft hart gefordert werden.

Aber das hat nicht erst Gewicht, seit wir mitten in die Vierte Industrielle Revolution geraten sind. Längst vor der Digitalen Revolution mußte man im herkömmlichen Handwerk, auch in der Industriearbeit, vieles via Trial and Error erkunden. Etwas davon wird heute noch in einer klassischen Schrauber- und Sammler-Szene gepflegt, vor dem Vergessen bewahrt. In einem Milieu, das alte Maschinen, Vehikel und Kraftfahrzeuge aller Art pflegt, gilt: niemand ist alleine schlau.

Peitler-Selakov holt diese Grunderfahrung der ersten Maschinenzeitalters in einen spannenden Zusammenhang unserer Gegenwart, die längst als Teil eines zweiten Maschinenzeitalters betrachtet wird. Sie hat für dieses Projekt eine äußerst kontrastreiche Crew zusammengestellt. Bisher lief die Arbeit daran hinter den Kulissen, mit Jänner 2020 geht es zügig nach außen.